© 2018 Kultur-/Jugendkulturbüro Haus Felsenkeller e.V.

Erstellt durch Anke Sauer Drachenbau und Mediengestaltung

20.-22. August 2015

Woher kommen die „Grüße aus der Heimat“?

„Was bedeutet für Sie Heimat?“ - mit dieser Frage kann man, wie mit kaum einer anderen, einen Menschen komplett überfahren. Eine spontane Antwort ist hier kaum möglich. Heimat ist ein Gefühl, das sich manchmal mit einer Region, einem Ort oder einem Landstrich verbindet.

Das Gefühl von Heimat, welches sich oftmals wohlig in der Magengegend bewegt, hängt mit Menschen, Erlebnissen, Orten, Augenblicken und Erfahrungen zusammen. Auf dem diesjährigen AsphaltVisionenFestival möchten wir Ihnen in unterschiedlichen Produktionen die Vielfalt des Themas zeigen.

Das AsphaltVisionenFestival findet in diesem Jahr zu dem Thema "Grüße aus der Heimat" statt. Da das Festival sich dem politischen und sozialkritischen Theater verschieben hat, widmen wir uns auch diesem Thema kritisch und mit künstlerischen Mitteln. Dabei schauen wir nicht nur auf die kitschig-schöne Seite von Heimat.

Mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nehmen Flüchtlinge schlimmste Strapazen auf sich -  mit ungewissem Ausgang begeben sie sich auf Boote oder in die Hände von Schleppern. Weltweit.
Sie werden aus ihrer Heimat, aus ihren Dörfern, Städten und Ländern durch Krieg, Klimakatastrophen oder politische Verfolgung vertrieben. Viele kommen auf unterschiedlichsten Wegen auch nach Deutschland, hier landen Sie in Asylbewerberheimen. Einer Art „Zwangsheimat“ in der sie mehrere Jahre ausharren ohne zu wissen ob sie bleiben dürfen. Der Status als Mensch wird Ihnen hier mehr oder weniger aberkannt, hier sind sie Asylbewerber.
In Rheinland-Pfalz gibt es den Abschiebeknast in Ingelheim, hier werden die Menschen die von einer freudigen und menschenwürdigen Zukunft in unserem Land träumten weggeschlossen wie Verbrecher bevor man sie zurück in Ihre Länder bringt in denen sie im besten Fall keine Perspektive haben - im schlimmsten Falle schickt man Sie dort direkt in die Hände ihrer Feinde, die sie aus politischen Gründen, wegen ihrer Religion oder sexuellen Orientierung verfolgen.
Ist also die Wahl einer Heimat ein Privileg das man sich verdient?

Wendet man sich den Menschen hinter dem Titel „Asylbewerber“, „Aussiedler“, „Migrant“ zu, erfährt man Lebensgeschichten die Hollywood niemals schreiben könnte. Die Vielfalt der Geschichten sicht- und hörbar zu machen haben wir uns in diesem Jahr zur Aufgabe gesetzt.

Das Thema der Heimat ist so facettenreich und vielfältig wie kaum ein anderes.

Über verschiedene Interviews, direkte Ansprache oder unsere Ausstellung HeimArt erfahren wir ganz verschiedene Perspektiven und Nuancen dieses Themas. Durch diese Vorarbeit und die Umsetzung eigener Produktionen mit Beteiligung regionaler Künstler versuchen wir immer mehr Menschen am Asphaltvisionen Festival zu beteiligen und Ihnen hier ein kreatives Zuhause oder eine Bühne für Ihre Geschichten zu bieten.

Die Heimat wird den Mittelpunkt der künstlerischen Entdeckungsreise der Asphaltvisionen bilden, sie wird erforscht, befragt, durchwühlt und durchstöbert nach Geschichten, die von Menschen und menschlichem Zusammenleben, von Erlebnissen mit Heimat und allem was dazugehört berichten.

Menschen finden Heimat an den unterschiedlichsten Orten. Im ländlichen wie im städtischen Raum, in der Steppe oder im ewigen Eis. Dabei ist nicht immer der Geburtsort ausschlaggebend.
Heimat kann am Anfang eines Lebens sehr großgeschrieben sein, im Laufe eines Lebens verloren, verlassen, vergessen oder gewechselt werden und am Ende eines Lebens ein Buch voller Geschichten sein.

„Grüße aus der Heimat“ lässt an kitschige Postkarten mit eben jener Aufschrift denken. Oder aber an einen noch kitschigeren Rosamunde Pilcher-Film, der in einer pittoresken Landschaft spielt, nach Möglichkeit mit einem Picknick auf einer Blumenwiese mit umherfliegenden Bienen und Schmetterlingen. An Trecker fahren, Heuduft, Trachten und Volksfeste. An Stadtkultur und Parklandschaften. An Familiengeschichte, Weltkriege, Vertreibungen. An Streit und Versöhnung. An Oma und Opa. An Geburten, Hochzeiten und Beerdigungen. An Musik, Tänze und Lieder. An fremde Länder und weite Reisen...

Heimat ist Erinnerung, Wunsch, Traum und Vision – ein Begriff der sich einem Gefühl widmet. Heimat wandelt sich ständig und ist ein Prozess, eine Entwicklung für den einzelnen Menschen, für Menschengruppen,  Völker, Landstriche, Länder und Kontinente. Heimat mischt Ethnologie, Politik und Lebensgefühl.  

Heimat ist in großer Gefahr und unsterblich zugleich.

Heimat verbindet alle Aspekte des Lebens, und ist ein gemeinsamer Nenner für alle Menschen, egal wie unterschiedlich sie und ihr Leben auf den ersten Eindruck wirken.

Wir sind gespannt, was künstlerisch passieren wird und freuen uns auf ein gemeinsames Erleben der Ergebnisse am Festivalwochenende, 16. und 17. August.


Mit besten Grüßen aus der Heimat

Rebecca Staal


Entstehung des Themas:

Vor 2 ½ Jahren habe ich mir für das diesjährige Festival das Thema „Integration / Migration“ gesetzt, zusätzlich brachte der Kultursommer RLP, der Hauptsponsor des AsphaltVisionen Festivals, über seine Ausschreibung das Thema „Eurovisionen“ ins Spiel.

Da ich die Themen des Kultursommers gerne als kreativer Herausforderung ansehe, versuchte ich aus den beiden eher trockenen Themen einen gemeinsamen Nenner zu filtern, der sich dazu eignet den Zuschauer   mitzunehmen, zu begeistern und ein gemeinsames emotionales Theatererlebnis zu schaffen.

Heimat. Ein Allgemeinplatz? Eine romantische Idee? Ein emotionaler Zustand?

Zu aller erst ein spannendes Thema zu dem man mindestens ein komplettes Jahresprogramm gestalten kann.

Natürlich entsteht ein solches Thema auch aus einem privaten Interesse heraus. Aus der Zeitreise habe ich gelernt das die spannendsten Geschichten vor Ort in den Menschen schlummern denen wir täglich begegnen. Zudem habe ich mich darüber auch mit meiner persönlichen Definition von Heimat beschäftigt.

Heimat ist ein sehr persönliches Thema, was jeden etwas angeht – ob er sich nun schon einmal bewusst über das Thema Gedanken gemacht hat oder nicht.

Ich für mich finde Heimat im Übrigen, zum einem im Westerwald in dessen wundervoll herber Landschaft ich tief verwurzelt bin, genau so wie in der Kultur. Wo Menschen sich zusammenschließen um einem Publikum einen schönen, interessanten und spannenden Abend zu bieten, auch da fühle ich mich heimisch und geborgen.

Hierfür finde ich das Zitat des ehem. Schweizer Bundespräsidenten Moritz Leuenberger sehr passend: „Heimat entsteht nicht durch Abgrenzung, sondern durch Verbundenheit, durch Anteilnahme und durch Mitwirkung.“